Rede zur Haushalts- und Finanzpolitik der Ampel-Regierung Samstag, 15.01.2022 Im Folgenden ist die Bundestagsrede von Sven-Christian Kindler zur Haushalts- und Finanzpolitik der Ampel-Regierung dokumentiert: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bis auf ein paar rechtsradikale Verschwörungsideologen hier im Parlament kann ja niemand bestreiten, dass wir weiterhin mitten in einer schweren pandemischen Notlage sind. Leider, leider ist diese Pandemie noch lange nicht vorbei, und wir müssen alles tun, um die Menschen in Deutschland zu schützen. Als Erstes natürlich durch Impfen, Impfen, Impfen. Deswegen ist es besonders bedauerlich, dass der Gesundheitsminister der alten Regierung anscheinend nicht für genug Impfstoff für das neue Jahr gesorgt hat. Denn wir wissen, mittelfristig ist es der Weg aus der Krise und zur Überwindung der Pandemie, die Menschen in Deutschland zu impfen. Wir wissen aber auch: Kurzfristig brauchen wir Kontaktbeschränkungen; wir brauchen Untersagungen, Einschränkungen und regionale Lockdowns. Wir wissen: Das hat erhebliche wirtschaftliche Folgen, das schwächt die Wirtschaftsleistung, das ist eine Belastung für die Beschäftigung. Die internationalen Lieferketten – darauf hat der Bundesfinanzminister hingewiesen – sind durch die weltweite Coronapandemie gestört. Auch haben wir durch die Pandemie und ihre Folgen in den letzten Jahren in Deutschland zu wenige volkswirtschaftliche Investitionen getätigt. Deswegen hat der Deutsche Bundestag 2020 und 2021 zusammen mit der Bundesregierung erhebliche Summen an Krediten zur Bewältigung dieser Pandemie bereitgestellt und die außergewöhnliche Notsituation nach Artikel 115 Grundgesetz festgestellt. Ich will hier mit einem Missverständnis aufräumen: Natürlich waren diese Gelder für die Stabilisierung des Gesundheitssystems, für Krankenhäuser, für Pflegekräfte, für Impfstoffe, für Gesundheitsämter, aber natürlich nicht nur dafür. Sie waren natürlich auch für die Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, für Wirtschaftshilfen, für das Kurzarbeitergeld. Sie waren explizit auch für öffentliche Investitionen zur Unterstützung der Wirtschaft und zur Stabilisierung der Volkswirtschaft. Das war immer die Linie der Bundesregierung in den letzten Jahren; das war die Linie der breiten Mehrheit in diesem Hause. Ich finde, diesen breiten Konsens sollten wir jetzt nicht aufkündigen; diesen breiten Konsens sollte die Union in der Opposition jetzt nicht aufkündigen. Denn klar ist doch auch: Es wird mit diesen großen ökonomischen Einschnitten nicht einfach sofort aufhören, wenn diese Pandemie überwunden ist; sie werden länger andauern. Jeder vernünftige Ökonom und jede vernünftige Ökonomin wird Ihnen bestätigen, dass öffentliche Investitionen der nachhaltigste und beste Weg aus dieser Krise sind. Deswegen brauchen wir jetzt eine grundlegende, eine große Investitionsoffensive, und die werden wir in dieser Koalition auf den Weg bringen. Deswegen hat die Regierung jetzt einen zweiten Nachtragshaushalt zum Haushaltsgesetz 2021 auf den Weg gebracht. Es wurde gesagt: 60 Milliarden Euro werden dem Energie- und Klimafonds zugeführt. Gleichzeitig wird die Kreditermächtigung nicht erhöht, die ja noch die Große Koalition unter Führung der Union beschlossen hat. Für uns ist klar: Wir wollen damit die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abmildern. Wir sagen: Wenn wir schon investieren, dann müssen wir natürlich auch in das Neue, in die Zukunft investieren, auf den 1,5-Grad-Pfad kommen. Wir können nicht wieder in das Alte, in das Fossile investieren. Wir sind eine Koalition, die sich der Zukunft verschrieben hat. Deswegen sagen wir: Wir wollen eine Politik, die auch nachfolgende Generationen in den Blick nimmt. Was wir hier machen, ist eine generationengerechte, eine smarte Haushaltspolitik. Dazu verpflichtet uns das völkerrechtlich verbindliche Pariser Klimaschutzabkommen, und dazu verpflichtet uns auch das historische und wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz, das nämlich besagt, dass der Staat eine Schutzpflicht gegenüber nachfolgenden Generationen hat. Der Staat hat eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht gegenüber unseren Kindern, unseren Enkeln, um ihre Freiheitsrechte auch in der Zukunft zu sichern. Deswegen dürfen wir mit konkreten Klimaschutzmaßnahmen jetzt nicht warten, sondern müssen sie konkret angehen. Das ist die Vorgabe aus Karlsruhe, die wir zu erfüllen haben, und wir legen dafür mit diesem Nachtragshaushalt eine erste Grundlage. Deswegen ist es auch sinnvoll, jetzt finanzpolitisch zu handeln und nicht erst viel später. Wir haben doch alle gesehen, dass in den letzten Jahren die Zahl der Naturkatastrophen und klimabedingten Katastrophen massiv zugenommen hat – weltweit, auch in Deutschland und Europa. In Deutschland haben wir von 2018 bis 2020 drei Dürresommer in Folge erlebt, mit erheblichen Schäden für die Landwirtschaft und unsere Wälder. Kollege Rohde hat auf die schreckliche Tragödie im Ahrtal in NRW und Rheinland-Pfalz hingewiesen, die auch eine erhebliche Belastung für die staatlichen Haushalte darstellt. Bund und Länder rechnen damit, dass allein diese Katastrophe den Staat 30 Milliarden Euro kosten wird. Das zeigt doch: Wenn man Klimaschutz macht – das sagen wir auch klar -, dann gibt es den zwar nicht zum Nulltarif; aber wenn man keinen Klimaschutz macht, dann wird es am Ende richtig, richtig teuer. Das ist die Lehre, die wir hieraus ziehen müssen. Ich bin, ehrlich gesagt, etwas verwundert über die Kritik und die Empörung aus der Unionsfraktion. Kollege Rohde hat auf die Debatten zum zweiten Nachtragshaushalt 2020 im letzten Jahr schon hingewiesen. Der hochgeschätzte ehemalige Kollege Eckhardt Rehberg, damals Sprecher der Unionsfraktion für Haushaltspolitik – sehr guter Mann, wie Andreas Mattfeldt sagt; genau -, hat damals in der Abschlussdebatte zum zweiten Nachtragshaushalt 2020 gesagt, das sei ein „Superergebnis“. In der ersten Lesung hier im Bundestag hat er ausgeführt, dass mit dem Nachtragshaushalt extrem viel investiert würde. Er sprach von – ich zitiere – „Elektromobilität 6 Milliarden Euro, … Wasserstoffstrategie 9 Milliarden Euro, energetische Gebäudesanierung 2 Milliarden Euro“, und er sagte: „Das sind Investitionen in die Zukunft, um aus der Krise herauszukommen und um Deutschland zukunftsfähig zu gestalten.“ Ich finde, Herr Kollege Rehberg hatte damals völlig recht. Er bezog sich dabei auf die Investitionen aus dem Energie- und Klimafonds, dem berechtigterweise unter Inanspruchnahme der coronabedingten Notfallkredite im zweiten Nachtragshaushalt 2020 28 Milliarden Euro zugeführt wurden, nämlich in eine Rücklage, und das war auch richtig so. Wir als Grüne haben das als verantwortungsvolle Opposition damals begrüßt, weil das so richtig war. Deswegen verstehe ich die Kritik der Union nicht; denn inhaltlich ist das, was wir jetzt machen, dem, was die Große Koalition 2020 gemacht hat, sehr ähnlich. Nur ist die Union jetzt in der Opposition; damals war sie in der Koalition, in der Regierung. Um es klar zu sagen: Dass Sie das erst so und dann ganz anders finden, finde ich nicht ehrlich. Das ist keine redliche Haushaltspolitik, das ist Heuchelei und Doppelmoral. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir halten diesen Nachtragshaushalt für einen ersten zentralen finanzpolitischen Schritt dieser neuen Koalition. Wir zeigen, dass wir entschlossen handeln, dass wir diese Coronapandemie überwinden wollen und dass wir besser aus der Krise herauskommen wollen, dass wir die großen Aufgaben bei der Transformation und beim Klimaschutz mit großen Investitionen angehen. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen dazu im Bundestag. Vielen Dank.