Gemeinsam solidarisch und entschlossen handeln Samstag, 14.03.2020 Die Anzahl an Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 steigt täglich. Es hat absolute Priorität, eine weitere Zunahme an Infektionen zu verlangsamen, um insbesondere ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen zu schützen, eine Überlastung unserer Gesundheitssysteme zu verhindern und die gesundheitlichen Folgen für alle Menschen in unserem Land zu begrenzen. Dies erfordert weitreichende Maßnahmen, die sowohl unser Zusammenleben als auch die Unternehmen und Beschäftigten betreffen. Konzerte werden abgesagt, die Bundesliga stellt ihren Spielbetrieb ein, Betriebe schicken ihre Mitarbeiter*innen nach Hause – all dies sind wichtige und notwendige Maßnahmen, die wir unterstützen. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft noch weitreichendere politische Entscheidungen getroffen werden müssen. Vor allem für die Beschäftigten im Gesundheitswesen und in der Pflege müssen die Folgen dieser Entscheidungen dabei immer so gut wie möglich abgefedert werden. Seriös kann derzeit allerdings niemand vorhersagen, wann diese Krise endet. Für viele Unternehmer*innen und viele Beschäftigte kommen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise hinzu. Die von der Bundesregierung heute verkündeten Maßnahmen zur Stützung von Unternehmen sind ein wichtiger Schritt. Doch auch Solo-Selbstständige, Kommunen, Arbeitnehmer*innen und Familien brauchen mehr Unterstützung. In einer Krise dieses Ausmaßes müssen Regierung und Opposition zusammen arbeiten. Wir bieten der Regierung unsere Unterstützung an. Bereits jetzt haben Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Konjunkturprognosen für Deutschland so weit nach unten korrigiert, dass mit negativen Wachstumsraten gerechnet werden muss. Die Börsen verzeichnen seit drei Wochen starke Kursverluste. Unsere Volkswirtschaft wird gleichzeitig von einem Nachfrage- und Angebotsschock getroffen. Viele Lieferketten funktionieren gar nicht mehr oder nur noch eingeschränkt. Gerade für Unternehmen, die just-in-time produzieren, stellt dies ein Problem dar. Gleichzeitig bricht in bestimmten Branchen der Konsum ein. Am stärksten betroffen sind aktuell die Bereiche Reisen, Verkehr, Kultur und Freizeit. Teilweise gehen die Aufträge gegen null. Für viele Selbstständige und Solo-Selbstständige, für kleinere Unternehmen und Kultureinrichtungen ist das schon jetzt eine existenzbedrohende Situation, in der sie auf öffentliche Hilfe angewiesen sind. Aber auch in anderen Branchen könnten die wirtschaftlichen Probleme in absehbarer Zeit erheblich werden. Dies stellt auch die Kommunen vor eine Herausforderung, die viele von ihnen allein nicht werden bewältigen können. Sie erbringen einen großen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und brauchen Unterstützung von Bund und Ländern. Dennoch gilt: Auf sinnvolle Eindämmungsmaßnahmen, die kurzfristige ökonomische Kosten haben, sollte auf keinen Fall verzichtet werden. Die langfristigen Kosten einer stärkeren Ausbreitung des Virus’ und folgende härtere Quarantänemaßnahmen werden sonst deutlich höher sein. Angesichts von zunehmenden Fragen und Verunsicherung braucht es jetzt einen einheitlichen, einfachen Zugang zu Informationen für die Bevölkerung, die Beschäftigten im Gesundheitswesen und Unternehmen, damit sie erfahren, wo welche Hilfe abrufbar ist. Uneinheitliche Informationen verunsichern zusätzlich. Nötig ist daher ein zentrales, einheitliches Informationssystem, das über verschiedene Wege abrufbar ist. Um den Folgen, die mit dem Coronavirus verbunden sind, auch wirtschaftlich entgegenzutreten, braucht es jetzt alle Anstrengungen und ein entschlossenes, schnelles und effektives Handeln der Regierung. Wir geben den Beschäftigten und Unternehmer*innen in diesem Land eine klare Zusage, dass wir als politisch Verantwortliche alles dafür tun werden, um Arbeitsplätze und Unternehmen zu erhalten. Wir Grüne bieten der Bundesregierung hierbei unsere Unterstützung an, alle kurzfristig notwendigen Schritte anzugehen, um aktuelle Problemlagen zu lösen und auch langfristige Programme zur Unterstützung von Konjunktur und Investitionen zu entwickeln. Hier spielen hierbei aus unserer Sicht insbesondere die folgenden Instrumente eine wichtige Rolle: 1. Schutz und Unterstützung für das medizinische Fachpersonal und Gesundheitseinrichtungen Viele Menschen arbeiten im Gesundheitswesen und tragen damit direkt und mit hohem Einsatz dazu bei, Patient*innen bestmöglich zu behandeln, zu versorgen und eine Ausbreitung der Infektion einzudämmen. Ihnen gebührt unser Dank und unsere Unterstützung. Damit das medizinische Fachpersonal ausreichend geschützt ist, ist es dringend erforderlich, ausreichend Schutzmaterial wie etwa Atemschutzmasken zur Verfügung zu stellen. Die Ausweitung einer zentralen Beschaffung von Schutzausrüstung und der Ausbau von Intensivkapazitäten ist richtig. Wir schlagen zunächst bis Ende 2020 zudem eine Gehaltszulage für die Beschäftigten in den Gesundheitseinrichtungen vor, in denen Patient*innen, die an Covid-19 erkrankt sind, behandelt werden. Damit niedergelassene Ärzt*innen von Bürokratie entlastet werden und sich um die medizinisch wirklich dringenden Fälle kümmern können, wollen wir gesetzlich regeln, dass Arbeitnehmer*innen ihren Arbeitgeber*innenn erst nach fünf Werktagen eine ärztliche Krankschreibung für sich oder ihr erkranktes Kind nachweisen müssen. Gesundheitseinrichtungen, die etwa wegen der Versorgung akut Erkrankter geplante Behandlungen verschieben, dürfen mit ggf. entstehenden Vergütungsausfällen nicht alleine gelassen werden. Im Fall einer Schließung von Betreuungseinrichtungen wie Schule, Kita oder Tagespflege muss sichergestellt werden, dass die Kinder oder die zu pflegenden Angehörigen von Beschäftigten im Gesundheitswesen, in Supermärkten, der Polizei oder sonstigen system- oder versorgungsrelevanten Berufen trotzdem betreut werden. 2. Unterstützung von Erwerbstätigen 2.1 Kurzarbeit für kleine Betriebe leicht und unbürokratisch zugänglich machen Konjunkturelle Kurzarbeit kann für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aller Branchen gewährt werden, wenn ein signifikanter Anteil der Beschäftigten im Betrieb von wirtschaftlich bedingten Arbeitsausfällen betroffen ist. Das Kurzarbeitergeld hat eine Höhe von 60 bzw. 67 % des Nettolohns für die ausgefallene Arbeitszeit. Wir unterstützen die Absenkung des Schwellenwerts, ab dem ein Unternehmen die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld erfüllt. Es ist zudem sinnvoll, dass die Arbeitgeber*innen in der Zeit der Krise auch die Sozialversicherungsbeiträge für die ausgefallenen Stunden erstattet bekommen können. Gerade für kleine und Kleinstbetriebe muss das Kurzarbeitergeld nun leicht, schnell und unbürokratisch zugänglich sein. Deshalb fordern wir die Arbeitsagenturen auf, proaktiv auf besonders betroffene Betriebe zuzugehen und Unterstützung anzubieten. Für Beschäftigte, die im Niedriglohnbereich oder zum gesetzlichen Mindestlohn arbeiten, fordern wir unbürokratische Hilfe bei aufstockenden Leistungen, damit auch für diese Gruppe Härten, beispielsweise durch eine krisenbedingte Verringerung der Arbeitszeit, vermieden werden. Außerdem muss auch der Bereich der Minijobber berücksichtigt werden. 2.2 Homeoffice kurzfristig ermöglichen In den nächsten Wochen ist es wichtig, dass Unternehmen möglichst vielen Beschäftigten Homeoffice oder mobiles Arbeiten ermöglichen. Um kurzfristig eine Ausweitung zu ermöglichen, sollten für einen begrenzten Zeitraum von drei Monaten bestimmte Voraussetzungen für Telearbeitsplätze in der Arbeitsstättenverordnung ausgesetzt werden. Das umfasst insbesondere die Notwendigkeit einer Gefährdungsbeurteilung, die arbeitsvertraglichen Voraussetzungen und die betriebliche Ausgestaltung des Arbeitsplatzes. Grundsätzlich sprechen wir uns für ein Recht auf Homeoffice für alle Beschäftigte aus, sofern keine betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Im Gegenzug werden die rechtlichen Hürden für Homeoffice und mobiles Arbeiten für Betriebe erleichtert, damit Homeoffice leichter angeboten werden kann. 3. Absicherung von Familien, wenn Schulen/Kitas schließen Wenn die Kita, die ambulante Pflegeeinrichtung oder die Schule wegen eines Corona-Ausbruchs geschlossen wird, stellt sich für viele Familien plötzlich die Frage, wer die Kinder oder die Pflegebedürftigen betreuen kann. Wir wollen den Menschen die nötige Sicherheit geben, dass sie auch in solchen Situationen eine verlässliche Unterstützung erhalten. Die Schließung von Schulen, Horten und Kindertagesstätten darf nicht dazu führen, dass Eltern wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten um ihren Arbeitsplatz bangen. Der Kündigungsschutz gilt auch in diesen Fällen. Arbeitgeber werden bei nachgewiesener Schließung der Einrichtung und der Notwendigkeit der Betreuung zu einer Lohnfortzahlung bis zu sechs Wochen verpflichtet. Im Gegenzug wird ihr Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz auf Fälle ausgeweitet, bei denen ein/e Angehörige/r der/s Beschäftigten wegen einer behördlichen Schließung einer Einrichtung zuhause betreut werden muss. Technisch läuft es analog zur bisherigen Regelung so, dass der Arbeitgeber dies bis zu sechs Wochen direkt an den Arbeitnehmer zahlt und seine Kosten dann auf Antrag von der zuständigen Behörde als Entschädigung zurückholen kann. Danach wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt. Dafür bekommen die Kommunen als zuständige Behörden Unterstützung aus einem Hilfsfonds. 4. Kommunen unterstützen Die Corona-Krise stellt Kommunen vor große Herausforderungen, die viele von ihnen allein nicht bewältigen können. Sie erbringen einen großen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und brauchen Unterstützung von Bund und Ländern. Mit Fristen für Kommunale Förderprogramme muss jetzt flexibel umgegangen werden. Kommunen dürfen aufgrund der Pandemie keine zugesagten Fördermittel verlieren, weil ihre Verwaltungen die Fristen nicht mehr einhalten können. Diese Flexibilität ist – über die Kommunen hinaus – generell für befristete Förderzusagen erforderlich, wenn krisenbedingt Termine nicht gehalten werden können. Ein verändertes wirtschaftliches Umfeld, gestörte Lieferketten und mögliche Krankheitsfälle treffen kommunale Unternehmen in einem ähnlichen Ausmaß wie private Unternehmen. Negative Auswirkungen auf die örtliche Wirtschaft und die Infrastruktur müssen jetzt in den Blick genommen werden. Finanzielle Unterstützung des Bundes wie Liquiditätshilfen oder Steuerstundungen sollen bei Bedarf auch den kommunalen Unternehmen zur Verfügung stehen. Die kommunalen Gesundheitsämter sind in den letzten Jahren personell ausgedünnt worden. Das muss sich ändern. Kommunen brauchen eine ausreichende finanzielle Ausstattung, damit Gesundheitsschutz und medizinische Versorgung vor Ort gesichert sind. Eine vor dem Hintergrund der Epidemie wichtige Maßnahme ist die Wiederbelebung des kaputt gesparten Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Es fehlt an Personal und Ausstattung. Wir sehen Bund und Länder in der Pflicht, jetzt endlich wirksame Schritte für eine nachhaltige personelle und finanzielle Stärkung der kommunalen Gesundheitsämter zu unternehmen. 5. Rettungsfonds für Solo-Selbstständige und Kulturschaffende Ähnlich wie beim Fluthilfefonds 2013 brauchen wir jetzt einen Rettungsfonds für Solo-Selbstständige und Kulturschaffende. Über ihn sollen diese schnell und unbürokratisch Hilfen bekommen. Dabei geht es zum Beispiel um Unterstützungsleistungen, wenn sie nachweislich Umsatzeinbußen durch die Pandemie haben und dadurch in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind (bis 60% des letzten Jahresdurchschnittseinkommens mit angemessenem Höchstauszahlbetrag). Damit gäbe es für diese Gruppe eine ähnliche Absicherung wie beim Kurzarbeitergeld für abhängig Beschäftigte. Auch für private Kultureinrichtungen, gemeinnützige Organisationen und kleine Unternehmen, die sonst durch das Raster fallen, soll es besondere Möglichkeiten zur schnellen Hilfe geben. Der Rettungsfonds sollte als Überbrückungshilfe für nicht durch Einnahmen gedeckte fixe Sach- und Personalkosten von privaten Kultureinrichtungen und anderen dienen und bei der KfW angedockt werden. Mittels dieses Fonds soll eine 100%-Haftungsfreistellung für die ausgereichten Betriebsmittelkredite erfolgen. Diese werden mit dem bei Förderkrediten etablierten Mechanismus kurzfristig über die Geschäftsbanken an die betroffenen Kultureinrichtungen etc. mittels eines unbürokratischen Antragsverfahrens ohne Kreditwürdigkeitsprüfung ausgezahlt. Die Zahlung sollte bis Ende 2020 tilgungsfrei sein. 2021 sollte dann in Einzelfallprüfungen entsprechend der individuellen Tragfähigkeit entschieden werden, ob Rückzahlungen erlassen, gestundet oder zumindest teilweise erlassen werden. 6. Liquidität für Unternehmen in der Krise sicherstellen 6.1 Kreditvergabe der KfW ausweiten: Für Unternehmen, die aufgrund der Corona-Krise unverschuldet in Liquiditätsengpässe geraten, müssen ggf. die staatlichen Förderbanken die Kreditversorgung sichern. Einzelne Länder haben hier bereits erste Schritte gemacht und vorhandene Programme ausgeweitet und verbreitert, wie z.B. die Liquiditätsfonds der Investitionsbank Berlin. Auf Bundesebene sollten für Unternehmen aller Branchen die KfW-Programme (KfW-Sonderprogramm 2009) im Rahmen der Finanzkrise und die Bürgschaftsprogramme für diesen Zweck reaktiviert und an die Besonderheiten der Corona-Krise angepasst werden. Die angekündigte Ausweitung der KfW-Programme und der Bürgschaftsmöglichkeiten sind in dieser Situation richtig. 6.2 Reduzierung der Steuer-Vorauszahlungen Im Falle eines krisenbedingten Gewinneinbruchs können Steuer-Vorauszahlungen, die auf den Gewinnen aus wirtschaftlich „normalen“ Jahren beruhen, eine erhebliche finanzielle Belastung für Unternehmen darstellen. Wir schlagen eine Reduzierung der Steuervorauszahlung bis auf Null vor, um die Liquidität der betroffenen Unternehmen deutlich zu stützen. Die Finanzbehörden sollten Anträge auf Anpassungen von Vorauszahlungen von betroffenen Unternehmen schnell und unbürokratisch bearbeiten. Die Unternehmen sollten die Höhe ihrer Vorauszahlungen formlos und ohne Nachweise auf den von ihnen beantragten Wert festsetzen lassen können. 6.3 Steuerstundung auf fällige Steuern Steuerstundungen sind bereits heute möglich, wenn die Einziehung der Steuer bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Steuerpflichtigen bedeuten würde. Bei Unternehmen, die durch das Coronavirus erhebliche Umsatzeinbrüche hinnehmen müssen und somit durch die Steuerzahlungen in einen Liquiditätsengpass geraten, ist grundsätzlich von einer erheblichen Härte auszugehen. Um den Unternehmen hier eine schnelle und unbürokratische Hilfe zugutekommen zu lassen, sollte für besonders betroffene Branchen, wie z.B. derzeit Tourismus, Gastronomie oder auch das Veranstaltungsgewerbe, eine grundsätzliche Stundung von fälligen Steuern zinslos möglich sein. Hier muss die Bundesregierung noch nachlegen. Für alle anderen Unternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllen wie hohe Umsatzeinbrüche, sollte dies im Rahmen eines formlosen Antrags möglich sein. 6.4 Anhebung der Ist-Besteuerungsgrenze auf 2 Mio. Euro (Umsatzsteuer) Grundsätzlich haben Unternehmen die Umsatzsteuer auf die von ihnen erbrachten Leistungen in dem Monat abzuführen, in dem sie die Leistung erbracht haben. Dies ist unabhängig davon, wann der Auftraggeber die entsprechende Rechnung begleicht. Die Unternehmen müssen hierdurch regelmäßig in Vorleistung gehen. Das führt zu einem zusätzlichen Liquiditätsabfluss. Unser Vorschlag ist, die Grenze für die Ist-Besteuerung von derzeit 600.000 Euro auf 2 Mio. Euro Umsatz anzuheben. Hierdurch hätten deutlich mehr Unternehmen die Möglichkeit, Liquiditätsabflüsse zu vermeiden und die Steuer erst dann zu zahlen, wenn sie diese auch vereinnahmt haben. 6.5 Stundungen von Beiträgen zur Sozialversicherung Neben der Erleichterung bei der Steuer fordern wir die Bundesregierung auf, die bestehenden Möglichkeiten zur Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen großzügig zu nutzen. Auch dabei kann auf Zinsen verzichtet werden, wenn dies zu unbilligen Härten und einer Verschärfung der Zahlungsschwierigkeiten führen würde. Wir schlagen vor, die Sozialversicherungen anzuweisen, die Möglichkeiten der zinslosen Stundung bei nachgewiesenen finanziellen Engpässen aufgrund der wirtschaftlichen Krise unbürokratisch und großzügig zu gewähren. Etwaige Hürden – gerade für kleine Betriebe – sollten kritisch überprüft und abgebaut werden. 6.6 Kreditversorgung der Unternehmen gewährleisten Viele Unternehmen sind jetzt auf großzügige Überbrückungskredite angewiesen. Durch die aktuelle Krise steigt allerdings auch die Unsicherheit für Banken, was zu einer restriktiveren Kreditvergabe selbst an noch solvente Unternehmen führen kann. Neben den oben genannten KfW-Programmen ist es richtig, auch geldpolitische und Stabilisierungsinstrumente zu nutzen, um es Banken zu erleichtern, die Kreditversorgung für die Unternehmen aufrecht zu erhalten. Die EZB hat dies erkannt und setzt über ihre gezielten langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO), bei denen sich Banken besonders günstig Geld leihen können, Anreize, die Kreditversorgung für Unternehmen und private Haushalte aufrechtzuerhalten und auszuweiten. Über die zusätzlichen Käufe von Unternehmensanleihen verbessert sie die Finanzierungskonditionen weiter. Wir begrüßen, dass die Aufsichtsbehörden den Banken die Möglichkeit geben, bestimmte Kapital- und Liquiditätspuffer jetzt zu nutzen und weitere Vorgaben temporär lockern. Dieses antizyklische Vorgehen ist in Krisen angebracht, denn es verhindert, dass Banken die Kreditvergabe in Krisen übermäßig einschränken müssen. 7. Hotel-der-Zukunft-Programm Das Gastgewerbe zählt zu den am stärksten betroffenen Branchen dieser Krise. Wir schlagen daher ein unbürokratisches, befristetes Hotel-der-Zukunft-Programm zur Förderung von Investitionen vor. Mit entsprechenden staatlichen Zuschüssen und Bürgschaften können die kleineren und mittleren Betriebe die Zeit, in der die Kapazität nicht ausgelastet ist, nutzen, um notwendige, kurz- und mittelfristig zu bewerkstelligende Arbeiten umzusetzen: Sanierungs- und Umbauarbeiten vorziehen, Öl-Heizungen austauschen, Räume renovieren, Gebäude auf hohen KfW-Standard umbauen, Schritte zur weiteren Digitalisierung vornehmen. Auch Jugendherbergen und Pensionen sollen an diesem Programm beteiligt werden. 8. Möglichkeiten der Kreditfinanzierung Die Schuldenbremse im Grundgesetz erlaubt in ausreichendem Maße Ausnahmen für Krisensituationen: Im Falle von außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. Die Aufnahme von Krediten über die Ausnahmeregel für außergewöhnlichen Notsituationen benötigt gleichzeitig einen Tilgungsplan. Das bindet zukünftige Haushaltsmittel für die Tilgung. Daher muss die Tilgung so angelegt sein, dass die wirtschaftliche Erholung und der notwendige ökologischen Umbau nicht gefährdet werden. Die „schwarze Null“ als politisches Konzept ist angesichts der notwendigen Maßnahmen endgültig bedeutungslos. Auch ohne Nutzung der Ausnahmeregel für außergewöhnliche Notsituationen gibt es auf Grundlage der Berechnungen zur Schuldenbremse im Haushalt 2020 bei einer Abkehr von der schwarzen Null – mit Berücksichtigung der Sondervermögen – einen Kreditspielraum von 6,6 Mrd. Euro im Jahr 2020. Dieser muss genutzt werden. Sollte ein höherer Finanzierungsbedarf bestehen, ist auch ein stärkerer Rückgriff auf die Rücklage grundsätzlich möglich. 9. Europäische Solidarität Diese Krise macht an Grenzen nicht Halt und ist eine enorme Herausforderung für ganz Europa und die Welt insgesamt. Wir wollen uns bei den zu ergreifenden Maßnahmen eng mit unseren europäischen Partnern abstimmen. Die flexible Anwendung des Stabilitätspakts ist in der Krise die richtige Antwort. Diese Flexibilität gestehen wir allen Krisenländern zu und sie sollte genutzt werden wo nötig. Sollten einzelne Mitgliedsstaaten durch die Krise unter den Druck der Finanzmärkte kommen, so verdienen sie die volle Unterstützung durch die europäischen Institutionen. Insbesondere mit dem ESM steht hierfür ein potentes Mittel zur Verfügung. Die Regierungen Europas müssen die Mahnung von EZB-Präsidentin Lagarde nach einer koordinierten und ambitionierten fiskalischen Antwort der EU-Mitgliedstaaten umsetzen. Wenn die gesundheitlichen Folgen des Virus ausgestanden sind, bietet sich die Chance, auch die nie vollständig verheilten Wunden der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise durch ein entschiedenes europäisches Investitionsprogramm zu kurieren. Ein Bekenntnis für ein solches Programm in der Zukunft, könnte bereits heute helfen, die Märkte zu beruhigen und die Zinsaufschläge auf Staatsanleihen besonders betroffener Staaten zu verringern. Als wichtige Lehre aus der Epidemie schlagen wir überdies vor, wirksame Maßnahmen und Anreize für eine europäische Produktion von notwendigen Schutzausrüstungen und Wirkstoffen für lebenswichtige Arzneimittel anzustoßen. Es braucht eine Risikoanalyse der Lieferketten mit Blick auf sensible Produkte. 10. Konjunktur- und Investitionsprogramm nach der Epidemie Konjunkturelle Maßnahmen können in der nächsten Zeit, solange eine weitere Ausbreitung mit Infektionen vorangeht, schwer wirken. Vorschläge zur Anregung des privaten Konsums wirken dann nicht, wenn der Besuch des Theaters, Clubs oder der Veranstaltung aus Infektionsschutzgründen überhaupt nicht erfolgen soll. Auch angebotsseitig werden Regelungen wie die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes, Liquiditätshilfen oder ein Rettungsfonds für besonders betroffene Branchen die zielgenauesten Effekte haben. Allerdings ist ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zu einer Konjunktur- und Investitionsoffensive enorm wichtig. Sollten sich infolge der Pandemie tiefere und breitere realwirtschaftliche Einbrüche abzeichnen, braucht es nach Abklingen der Pandemie eine konjunkturelle Stützung. Für die Unternehmen ist eine Ankündigung jetzt, dass die Regierung entsprechend handeln wird, enorm wichtig für ihre Planungen. Wichtiger Bestandteil langfristiger Konjunkturprogramme sind langfristig angelegte Investitionen. Einen langfristigen Investitionsplan fordern wir schon länger. Wichtige öffentliche Investitionen in die Zukunft helfen vor allem bei der Herstellung und beim Halten von Stabilität auf dem Arbeitsmarkt. Sie ziehen immer auch private Investitionen nach sich, so dass ein öffentliches Investitionsprogramm zwar erst über einen gewissen Zeitraum, aber dann auch erhebliches Potential zur Stärkung der Konjunktur entwickelt. Die nach der pandemischen Welle zu treffenden Maßnahmen sollten auf der einen Seite auf die Stärkung des privaten Investitionsanreizes abzielen, wie z.B. zeitweilig verbesserte Abschreibungsbedingungen. Eine Möglichkeit wäre die zeitlich begrenzte Einführung einer Vollabschreibung für Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Diese Maßnahme würde beim Abklingen der Epidemie Investitionsanreize bei Unternehmen schaffen, insbesondere, wenn die Vollabschreibung nur für einen kurzen Zeitraum gewährt wird. Hierdurch könnten die Unternehmen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Jahr der Anschaffung in voller Höhe steuermindernd berücksichtigen. Zudem sollten schnell wirksame Maßnahmen ausgewählt werden, die eine doppelte Rendite erzielen. Gerade jetzt ist umfassender Klimaschutz eine ökonomische und gesellschaftliche Chance. Die notwendige sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft kann und wird neue Chancen für Arbeitsplätze und die Wirtschaftsproduktion der Zukunft eröffnen und damit auch die Konjunktur befeuern. Die umfassenden Investitionen, die klimapolitisch notwendig sind, in erneuerbare Energien, in Gebäudesanierung, in Schienen- und Netzinfrastrukturen werden eine neue wirtschaftliche Dynamik erzeugen. Außerdem brauchen wir zur Stimulierung der Konjunktur nach einer Corona-Epidemie gezielte Maßnahmen zur Stärkung der Binnenkonjunktur. Das geht am gerechtesten und ökonomisch am stärksten zielgerichtet, wenn man Menschen mit kleinen Einkommen, die nahezu ihre gesamten Einkünfte sofort wieder konsumieren, gezielt unterstützt. Deswegen sollten grundsätzlich auch die ALG 2-Regelsätze angehoben werden und dies mit einer Erhöhung der Zuverdienstgrenze verbunden werden. Damit geht auch eine Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags einher. Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender Annalena Baerbock, Parteivorsitzende Robert Habeck, Parteivorsitzender Ramona Pop, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe Katharina Dröge, Sprecherin für Wirtschaftspolitik Sven-Christian Kindler, Sprecher für Haushaltspolitik Anja Hajduk, Stv. Fraktionsvorsitzende Katja Dörner, Stv. Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Gesundheitspolitik Claudia Müller, Mittelstandsbeauftragte Lisa Paus, Sprecherin für Finanzpolitik Dieter Janecek, Sprecher für Industriepolitik und digitale Wirtschaft Danyal Bayaz, Startup-Beauftragter Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte und aktive Arbeitsmarktpolitik Erhard Grundl, Sprecher für Kulturpolitik